Haushaltsrede 2024 Bündnis 90/Die Grünen

Von Klaus Böttcher in der Gemeindevertretung Linsengericht vom 30.01.24

Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren, liebe Zuhörer und Zuhörerinnen,

Wir danken der Verwaltung für die Vorarbeiten zum Haushalt, die nach und nach erfolgten und wegen ergänzter Ansätze und Listen Haushalts-reste, die später nachgereicht wurden, für uns ehrenamtliche Gemeindevertreter nicht leicht zu verarbeiten waren. Da sollte für die Zukunft an einer früheren Vorlage der Unterlagen gearbeitet werden.

Die Fraktion Bündnis90/Die Grünen wird dem vorliegenden Haushaltsentwurf 2024 der Gemeinde Linsengericht nicht zustimmen.

Dafür gibt es eine ganze Reihe von Gründen.

Der Haushalt führt uns unter Verantwortung von Bürgermeister Ungermann in eine wirklich angespannte Finanzlage. Mit all unseren großen Projekten ohne merkliche Einschränkungen befindet sich der Haushalt an der Grenze der Möglichkeiten der Gemeinde und setzt für die Zukunft auf die Erwartung steigender Steuereinnahmen oder zum Beispiel einen höheren Kommunalen Finanzausgleich (KFA) vom Land.

Es ist ja schön, liebe Kollegen von der CDU, wenn auf ihrem Neujahrsempfang Rolf Müller über die Karriere der Habgier in unserer Gesellschaft referieren durfte. Es wäre aber noch schöner, wenn sie auch darüber nachdenken würden, wie in unserer Demokratie der Habgier entgegengewirkt werden und der Staat einschließlich der Kommunen angemessen mit Finanzmitteln ausgestattet werden könnte. Eine Erfassung der Vermögens- und damit Machtverhältnisse in unserer Gesellschaft und eine Besteuerung der stark wachsenden Vermögen fehlt seit Jahrzehnten, genauso eine angemessen hohe Besteuerung großer Erbschaften ohne Ausnahmen oder eine stärker steigende Progression der Einkommenssteuer für richtig hohe Einkommen. Wer hat all das verhindert? Nach meiner Erinnerung maßgeblich die CDU. Die Thesen des Herrn Müller bringen uns da nicht weiter.

Über den aus unserer Sicht überdimensionierten anstehenden Rathausneubau der Verwaltung der Gemeinde bei vorgesehener Weiternutzung aller bisher genutzten Räumlichkeiten im alten Rathaus haben wir in der Vergangenheit bereits ausführlich gesprochen.

Auch das neue Feuerwehrhaus Südwest wird sehr teuer und großzügig dimensioniert. Nur über eine volle Nutzung des Daches für Photovoltaik mit Hilfe eines Investors will die Verwaltung trotz eines entsprechenden Auftrags anscheinend nicht nachdenken. Überlegungen zu sinnvollen und finanzierbaren Nachnutzungen der alten Feuerwehrhäuser sind in die Gemeindevertretung noch nicht vorgedrungen.

Sanierungen von Straßen werden in allen Ortsteilen in einem Umfang im Ergebnishaushalt eingeplant, wie sie von der Bauverwaltung wie in den vergangenen Jahren gar nicht umgesetzt werden können.

Einige Worte zu unseren Anträgen und ihrem Schicksal

Nur wir Grüne haben politische Anliegen an den Haushalt unserer Gemeinde für 2024 vorgetragen. Alle anderen Fraktionen haben auf Änderungsanträge verzichtet. Eigene Vorstellungen bei allen anderen Fraktionen also Fehlanzeige. Das ist ein sehr bescheidenes Bild, das die Gemeindepolitik hier abgibt.

Dabei wurden alle unsere Anträge in der HFDA-Sitzung vom 24. Januar abgelehnt. Uns für eine Zustimmung zum Haushalt zu gewinnen und in die gemeindlichen Ziele einzubinden, war offenbar für keine der anderen Fraktionen ein Anliegen.

Unsere Anträge, die alle der gesamten Bürgerschaft der Gemeinde zugutekommen sollten, wurden vom Tisch gewischt. Anträgen mit sehr hohem Mittelaufwand, wie dem des Tennisclubs Rot-Weiß, für den es sicher einige gute Gründe aufgrund von Versäumnissen des Vereins in der Vergangenheit gibt, die aber nur ca. 200 Mitgliedern des Vereins zugutekommen, werden dagegen im HFDA ohne großes Zögern in voller Höhe im Haushalt stattgegeben. Nicht einmal über die Streckung der Mittel über mehrere Jahre wird nachgedacht. Die Feuerwehren, Fußball-vereine und andere gut organisierte Gruppen werden gut ausgestattet, aber wenn es um die Allgemeinheit geht, dann bleibt die Mehrheit in dieser Gemeindevertretung knauserig.

Die Stelle des Klimaschutzmanager/ einer -managerin ist schon länger im Stellenplan enthalten, besetzt ist sie aber immer noch nicht. Der Beitritt Linsengerichts zu dem Bündnis der Klimaschutzgemeinden scheint fast keinerlei Folgen gehabt zu haben. Die Stellenbörse beim Kreis für Stellen für den Klimaschutz wird anscheinend nicht genutzt. Zu den Beratungssitzungen dort geht von der Verwaltung niemand hin. Klimaschutz kann ja warten, der ist ja erst seit 30 Jahren vordringlich!

Wer soll die anstehende Wärmeplanung nach Gebäudeenergiegesetz fachlich bearbeiten? Mit welchen Mitteln kann die Klimaschutzmanagerin arbeiten, falls sie endlich bald eingestellt werden sollte? In der Haus-haltsresteliste Ergebnishaushalt finden sich nun allerdings 125 Tsd. € für Energiesparmaßnahmen – wofür genau?, und wir ehrenamtlichen Gemeindevertreter sollen das dann noch verarbeiten.

Unser Antrag auf Untersuchung der gemeindlichen Liegenschaften auf Energieverbrauch und Maßnahmen zur Verbrauchsreduzierung mit 20 Tsd. € für Energieberatung und zusätzliche 50 Tsd. € für Energiespar-maßnahmen in den Liegenschaften wurde mit Mehrheit abgelehnt.

Seit dem Frühjahr 2020 schleppt die Verwaltung die Realisierung des sogenannten Nahmobilitätschecks hin. 4 Jahre ist bei der vielfach schlechten Performance unserer Verkehrsflächen nix passiert Kein einziger Schritt zu mehr Gleichberechtigung von und Raum für ÖPNV, Fahrradfahrer und Fußgänger gegenüber dem über Jahrzehnte privilegierten Motorisierten Individualverkehr zum Beispiel durch Querungshilfen und bessere Rad- und Gehwege.

Nun ist der Check endlich in Arbeit. Im Frühjahr soll das beauftragte Ingenieurbüro der Gemeindepolitik Empfehlungen vorlegen. Dann sollten wir in der Lage sein, die vorgeschlagenen Maßnahmen schnellstmöglich umzusetzen. Fördermittel aus den Töpfen des Landes zur Verbesserung der Nahmobilität können dann zügig beantragt werden und mit beschei-denen Eigenmitteln der Gemeinde bitter notwendige Verbesserungen für die Bürger in einem mehrfachen Umfang erreicht werden. Doch die beantragte Bereitstellung notwendiger Eigenmittel: von allen anderen abgelehnt. Es wird weiter die bereits eingeübte Verzögerungstaktik praktiziert.

Beim im Juli 2023 verabschiedeten Nahverkehrsplan des Kreises verweigerte die Verwaltung die Mitarbeit, wie mein Papier von Mitte Oktober belegt. Die für den Klimaschutz notwendige Verkehrswende wird von der Gemeinde Linsengericht schlicht ignoriert.    

Auch unser Anliegen, mit der Umstellung der Straßenbeleuchtung auf stromsparende LED-Technik zügig, aber verteilt über drei Jahre voran-zukommen und den Stromverbrauch und damit die Ausgaben dafür dauerhaft zu reduzieren, wird mit großer Mehrheit abgelehnt. Wie viele Jahre soll diese Verweigerungshaltung noch weiter gehen?

Schließlich die Frage, ob sich die Gemeindevertretung mit ihren einver-nehmlich abgestimmten Beschlüssen eigentlich noch ernstnehmen will. Am 15. Dezember 2022 haben wir hier in dem ausführlichen gemeinsa-men Antrag aller Fraktionen außer der AFD zur Forstbetriebsplanung u.a. beschlossen: „Die Erzielung von Gewinnen in der Waldwirtschaft ist ein nachrangiges Ziel. Das durchschnittliche Betriebsergebnis soll aber mindestens ausgeglichen sein, damit Reinvestitionen in den Wald ermöglicht werden.“ Die Vorgaben sollten in die Forstbetriebsplanung eingearbeitet werden. Die überarbeite Version dieser Planung liegt uns bis heute nicht vor.

Jetzt schrauben wir die Ansätze für Erträge aus Holzverkäufen und damit die Planungen für den Holzeinschlag von einem Ergebnis im Jahr 2022 von 468 Tsd. € in  2024 auf 650 Tsd. €, in 2025 800 Tsd., 2026 900 Tsd. € und 2027 sogar auf 1 Mio € aus unserem Gemeindewald massiv hoch.

Und das alles in Zeiten massivem Klimawandels mit Hitze und Trocken-heit im Sommer, Borkenkäfer und – wie in den Mitteilungen des Vorstan-des beschrieben – Schäden im Wald durch Nassschneefall und Sturm-böen im Winter wie kurz vor Weihnachten. Allein daraus werden 3500 Festmeter Schadholz von geplanten 8 Tsd. Festmetern Holzeinschlag erwartet, die zu aktuellen Marktpreisen verkauft werden müssen.

Glauben sie wirklich, dass sich die für die nächsten Jahre kalkulierten Erträge aus Holzverkäufen erreichen lassen? Und zu welchem Preis? Hier meine ich nicht die Marktpreise, die wir nicht beeinflussen können, sondern die Massivität des erforderlichen Einschlags von hochwertigem Holz noch gesunder alter Bäume im Gemeindewald, die dies erfordern wird.

Stattdessen müsste die Forstwirtschaft in die Lage versetzt werden, unabhängig von Ertragszielen flexibel auf Schäden im Wald zu reagieren und mit verschiedenen kleinteiligen und viele Baumsorten umfassenden Maßnahmen der Naturverjüngung oder gezielten Anpflanzung auf den Klimawandel zu reagieren und uns auf stärkere Veränderungen vorzubereiten, wie uns dies Förster Zentz bei der Waldbegehung des Umwelt-ausschusses im November gut fundiert vor Augen geführt hat.

Gerne würden wir die Planung des Holzeinschlags nach Flächen und Baumarten vom Förster erläutert bekommen. Bisher ist dies allerdings nicht geschehen. Gibt es diese Planungen im Detail überhaupt? Oder wurden die Erträge nur „über den Daumen“ kalkuliert?

Daher haben wir die Reduzierung der Ansätze aus dem Holzverkauf für die Jahre 2024 bis 2027 auf jeweils 500 Tsd. € beantragt und eine Stei-gerung vom Jahr 2022 auf die Folgejahre um über 5 % vorgeschlagen. Doch alle anderen Fraktionen haben unseren Antrag abgelehnt.

Wir Grüne hoffen ehrlich gesagt, dass sich die geplanten Ertragspositionen teilweise als Luftbuchungen erweisen und nicht realisiert werden können. Das war auch in den Vorjahren schon so. Damit könnte vielleicht der oben zitierte Beschluss der Gemeindevertretung vom Dezember 2022 noch Wirklichkeit werden und die Folgen massiver Holzeinschläge in Grenzen gehalten werden. Was sollen diese Zahlen im Haushalt außer Einnahmen vorugaukeln, von denen schon zu ahnen ist, dass sie nicht erreichbar sind. Diese Ansätze können wir Grüne auf keinen Fall mittragen.

Am Schluss nochmal zum Gesamthaushalt:

Dieser enthält wie in den vergangenen Jahren große Spielräume für die Verwaltung und den Bürgermeister für zahlreiche Maßnahmen und Investitionen, die wie in den Vorjahren voraussichtlich gar nicht alle umgesetzt werden können. Andererseits wird mit Einnahmen kalkuliert, die voraussichtlich nicht realisiert werden können.

Wir sollen hier quasi einen Blankoscheck ausstellen, dass die kalkulierten Erträge reinkommen und ggf. für alle Maßnahmen ausreichen bzw. die Maßnahmen eh gar nicht alle umgesetzt werden und deshalb die Rechnung am Schluss auch bei weniger Erträgen aufgeht wie in den vergangenen Jahren.

Dieses Vertrauen auf Nichtumsetzung durch die Verwaltung und den Bürgermeister und den Verzicht auf Kontrolle durch die Gemeindever-tretung auch im Jahr 2024 haben wir nicht.

Das ist einer der hier vorgetragenen Gründe, warum wir dem Haushalt 2024 heute nicht zustimmen können.

Vielen Dank.

Klaus Böttcher, 30.01.2024

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